Julius Yego hat es nicht nur geschafft, sich vom Kuhhirten zum Profisportler zu entwickeln. Es ist ihm vor allem gelungen, sich im Speerwurf von einem belächelten Exoten zu einem von allen respektierten Weltmeister zu mausern. Nur zwei Athleten stehen in der ewigen Weltbestenliste noch vor ihm.
Diese unglaubliche Story ist kein Zufall, sondern das Ergebnis von Beharrlichkeit und einem unerschütterlichen Glauben an sich selbst. Echter Hollywood-Stoff! Schon als Kind hat der heute 27-Jährige in seinem Dorf im Great Rift Valley gerne wieder alles weit weggeworfen, was er in die Finger bekam. „Der Speerwurf lag mir im Blut“, erkannte Julius Yego früh.
Er ist in einer einfachen Bauernfamilie gross geworden, Straßen und Strom gab es nicht. Die Leichtathletik-Bühne, auf der er heute zuhause ist, schien zu der Zeit so unerreichbar wie der Big Apple in New York.
Julius Yego hatte Spass am Werfen der Holzstöcke
Wie die anderen Kinder auch, ist Julius Yego acht Kilometer zur Schule gelaufen - jeden Tag hin und zurück. Ein Läufer ist trotzdem nicht aus ihm geworden, vielmehr haben ihn diese Holzstöcke fasziniert, die sich so gut werfen ließen: „Das hat mir Spass gemacht.“
Und dass er einen „Bumms“ im Wurfarm hatte, war schnell zu sehen. Seinen ersten Metallspeer jagte er schon auf 47 Meter hinaus - noch als Kind. Doch sein Vater war alles andere als begeistert von den Sportlerträumen seines Sohnes. In seinen Augen war der Filius mehr mit Spielen mit dem Speer beschäftigt als sich um seine Schulaufgaben zu kümmern.
Der Weg in die Weltspitze führt über YouTube
Deshalb bestritt Julius Yego seine Wettkämpfe in der ersten Zeit heimlich und hinter dem Rücken der Eltern. Noch bitterer war allerdings, dass es in ganz Kenia keinen Trainer gegeben hatte, der ihm wirklich weiterhelfen konnte. Ein Dilemma, aus dem er mit Hilfe von Internetcafes einen Ausweg fand. Dort schaute er sich Videos der besten Speerwerfer der Welt auf YouTube an und bekam auch Einblicke in deren Training.
Mit viel Improvisation und unter bescheidenen Bedingungen arbeitete er mit diesen Bildern vor Augen jeden Tag an sich und auf seinen Traum hin. 2010 war er im Alter von 21 Jahren bei einer Bestleistung von 75 Metern angelangt. Den Feinschliff holte sich der Rohdiamant danach beim finnischen Trainer Petteri Piironen. Der Schritt ins Speerwurf-Land war für Julius Yego ein Glücksgriff. Es wurde an seiner mangelhaften Beinkraft und an der Technik gearbeitet. Das war der Schlüssel: Danach ging es in seiner Karriere steil bergauf.
2011 wurde er als erster Kenianer Afrikameister im Speerwurf. Im Jahr darauf stand er plötzlich im Olympiafinale - als erster Afrikaner in seiner Disziplin. Er war damit zwar immer noch ein Exot, aber einer, den die Konkurrenten ernst nehmen mussten.
Mit Afrikarekord zum WM-Titel
Die Leistungskurve stieg weiter an: 2014 setzte er sich bei den Commonwealth Games durch und 2015 wurde er schliesslich Weltmeister - mit einer Weite von 92,72 Metern, einem Afrikarekord: „Es war ein großer Wurf, den ich nie vergessen werde. Das war ein besonderes Jahr für mich. Weltmeister zu sein, ist ein Traum.“
Als Weltmeister kommt er jetzt auch zu „Weltklasse Zürich“, um sich dort beim grossen Diamond League-Finale mit seiner starken Konkurrenz zu messen. Den „Letzi“ kennt er schon: 2012 war er Fünfter und 2014 Vierter geworden.
Damit gibt es aber vor allem eines: Noch Potenzial nach oben, was seine persönliche Zürich-Bilanz betrifft. Die Fans dürften gespannt sein, wie weit hinaus es für den „YouTube Man“ diesmal geht und ob er nach dem Sieg greifen kann. Zuzutrauen ist Julius Yego alles, daran hat niemand mehr einen Zweifel.
5 Goldmedaillengewinner im Speerwurf am Start
Auf den amtieredenen Weltmeister Julius Yego wartet bei Weltklasse Zürich ein absolutes Top-Teilnehmerfeld. Zwei seiner Vorgänger als Weltmeister, Vitezslav Vesely (CZE) und Tero Pitkämäki (FIN), der Olympiasieger von 2012 Keshorn Walcott (TTO), der Jahresweltbeste Thomas Röhler (GER) und Europameister Zigismunds Sirmais (LAT) sind alle in Zürich am Start! Nach Olympia in Rio wird das Teilnehmerfeld noch ergänzt. (Stand: 5. August 2016)