Egal, wo du im Leben gerade stehst, egal, welche Ziele du im Beruf, Studium oder Sport hast: Hör nie auf, noch besser zu werden. Wie? Indem du von den Besten auf deinem Gebiet lernst. Mach dir die jahrelange Erfahrung von Weltklasse-Athleten zunutze. Auch sie kennen schwierige Phasen. Statt aufzugeben, gehen sie weiter, verlassen ausgetretene Pfade und suchen nach neuen Wegen. Dabei sind sie auch nur Menschen. Menschen mit Träumen. Menschen, die aber oftmals noch härter, noch kompromissloser arbeiten, damit ihre Träume in Erfüllung gehen. Wie Julien Wanders. Lass dich von seinem Mindset inspirieren.
Lerne von Julien Wanders:
Verfolge grosse Ziele mit noch grösserer Leidenschaft und vor allem: setze dir keine Grenzen!
Inspiriert von den besten Läufern der Welt, hat sich Julien Wanders mit 18 Jahren entschieden, sein Leben im wohlhabenden Genf aufzugeben, um im kenianischen Hochland selber zu versuchen, der beste Läufer der Welt zu werden. Kaum ein Schweizer Sportler verfolgt seine Träume derart konsequent, derart fokussiert wie der 24-jährige Doppel-Europarekordhalter im Halbmarathon (59:13) und über 10 Kilometer (27:13), der als Junior bereits Markus Ryffels Rekorde auf der Strasse (10 km) und der Bahn (5000 m) pulverisiert hat.
Der Traum
Am Anfang war der Traum. Der Traum, einmal Laufprofi zu werden, Medaillen zu gewinnen und Rekorde zu brechen. Dieser Wunsch reifte in Julien Wanders im Alter zwischen 12 und 15 Jahren. Dabei dachte er schon damals in Dimensionen, die hierzulande jegliche Normen sprengen. Er wolle nicht bester Genfer, Schweizer oder Europäer werden, nein: «Ich will der beste Läufer der Welt werden», verriet der Genfer Kantonalsieger des UBS Kids Cups einst mit leiser Stimme, um nicht überheblich oder gar arrogant zu klingen (das Gegenteil ist der Fall). Träume hat jeder, zumal als Teenager, jedoch verfolgen nur ganz wenige ihre Träume mit allerletzter Konsequenz. Julien Wanders tut es. Und das im Langstreckenlauf, der wohl am meistverbreiteten und kompetitivsten Sportart der Welt.
Die Inspiration
Wer der Beste werden möchte, muss wissen, was die Besten besser machen. Ergo sammelte Julien Wanders alle Informationen, die er über den Laufsport finden konnte. Immer wieder stiess er dabei auf Kenia, genauer: auf den Ort Iten im Westen des Landes. «Home of Champions» steht auf dem Torbogen beim Stadteingang, und das ist nicht übertrieben. Die Mehrheit der kenianischen Weltklasse-Läufer haben ihre Wurzeln in diesem Teil des Rift Valley oder trainieren zumindest regelmässig hier, auf 2500 Metern über Meer. Von 800-m-Olympiasieger und -Weltrekordhalter David Rudisha bis zu dessen Pendant im Marathon, Eliud Kipchoge, den Wanders sowohl in Monza als auch in Wien bei dessen 2-Stunden-Projekten begleiten durfte. Der Schweizer Ausnahmeläufer hat die kenianische Ausnahmestellung im Laufbereich sogar zum Thema seiner Maturaarbeit gemacht. Nach dem Gymnasium, gerade volljährig, stand deshalb für ihn fest: «Will ich so schnell und gut werden wie die Kenianer, muss ich so leben und trainieren wie sie.»
Der Laufvirtuose
Seine Eltern, beide Akademiker und begnadete Musiker, waren nicht begeistert, als sie von Juliens Vorhaben erfuhren. Immerhin konnten sie den 18-Jährigen noch überreden, sich für ein Wirtschaftsstudium an der Universität Genf einzuschreiben. Allein, sie wussten schon nach wenigen Tagen: «Widerstand zwecklos. Hat sich Julien einmal etwas in den Kopf gesetzt, ist er nicht mehr von seiner Idee abzubringen.» Während zehn Jahren hatte ihr Sohn Cello gespielt, zu Beginn stundenlang und mit grossem Eifer, bis er das Interesse verlor, weil er sich lieber durchs Laufen als durch die Musik ausdrückt. Das Laufen bestimmt seinen Lebensrhythmus, seit er mit fünf Jahren erstmals an der Course de l’Escalade in Genf startete, nachher in den organisierenden Verein (Stade Genève) eintrat und dort zu seinem heutigen Trainer Marco Jäger fand. Laufen machte Julien Wanders glücklicher als Werfen und Springen oder Ballspiele. Also suchte er sein höchstes Glück im Mekka des Laufsports. Von der reichen Weltstadt Genf führte sein Weg via Nairobi nach Eldoret und von dort weiter in einem «Matatu» (Sammeltaxi) nach Iten, das trotz seiner 40 000 Einwohner eher wie ein Dorf wirkt.
Die Leidenschaft
In Iten ist Laufen die natürlichste Sache der Welt. Und die häufigste Berufswahl. Rund ein Viertel der Bevölkerung verdient damit seinen Lebensunterhalt. Oder versucht es zumindest. Julien Wanders, wohlbehütet in einer bildungsbürgerlichen Familie aufgewachsen, braucht nicht des Geldes wegen zu laufen: «C’est ma passion!» Laufen bedeutet für ihn Leidenschaft. Mit seiner Hingabe und Disziplin hätte er auch (Chemie-)Lehrer wie sein Vater, (Berufs-)Musiker wie seine Mutter oder (Kinder-)Arzt wie seine älteste Schwester werden können. Julien aber entschied sich freiwillig, den Komfort in der Schweiz hinter sich zu lassen, um sich die Lebensweise der ostafrikanischen Läufer anzueignen. Dabei wählte er nicht die «europäische» Variante mit All-inclusive-Hotel und Rundumbetreuung, sondern logierte bei einer einheimischen Familie – ohne fliessendes Wasser, ohne Strom und mit viel selbstgekochtem «Ugali» (Maisbrei). «Man muss mental stark sein, aber die wichtigste Voraussetzung für ein solches Leben ist die Leidenschaft, die Leidenschaft fürs Laufen», offenbarte der Vollblutläufer einmal in einem Interview gegenüber dem Tages-Anzeiger.
Die Erleuchtung
Sein langjähriger Mentor Marco Jäger gab ihm zwar einen Trainingsplan mit ins Gepäck. Doch Julien warf diesen schon nach wenigen Tagen über Bord. Kunststück, denn in den bis zu 50-köpfigen Laufgruppen verkommen Kilometerzeiten und Pulswerte zur Makulatur. Für den jungen «Mzungu» (Ausländer) ging es einzig ums Überleben. Nach einem Monat war er wieder zu Hause, geschwächt durch eine Lebensmittelvergiftung und komplett im Übertraining. Trotzdem brannte sein inneres Feuer stärker denn je: «Mir leuchtete sofort ein, dass ich nach Iten zurückkehren musste, wenn ich mich als Läufer weiterentwickeln wollte.» Ein halbes Jahr später flog er wieder hin. Mittlerweile verbringt der schnellste «weisse» Halbmarathonläufer der Geschichte über zehn Monate im kenianischen Hochland, ja er gilt als Einheimischer, auch wenn er die zweite Landessprache, Swahili, noch nicht fliessend spricht. Julien Wanders hat sich angepasst – und verliebt. Einerseits in die immer grünen Hügellandschaften mit den endlosen rotbraunen Erdstrassen, anderseits in eine Primarlehrerin und Restaurant-Besitzerin namens Joan Jepkorir Kiprop, die alle «Kolly» nennen und mit der er inzwischen ein bescheidenes kleines Häuschen teilt.
Die schweizerische Professionalität
«Eine meiner grössten Leistungen war es», konstatiert der letztjährige Cross-EM-Dritte, «mich an das Leben in Kenia zu gewöhnen.» Es ist ein einfaches, asketisches Leben, ohne Ablenkung, ohne Stress, aber wohl strukturiert. Der Tag beginnt um 5.30 Uhr und endet spätestens um 20.30 Uhr, bestehend aus dem immer gleichen Dreiklang trainieren-essen-schlafen. 13 Einheiten, 160 bis 200 Laufkilometer pro Woche, ergänzt durch Meditation, Lauftechnik-, Kraft- und Stabilisationsübungen, die Julien Wanders – im Gegensatz zu den meisten Kenianern – regelmässig in sein Programm integriert, um Überlastungen des Stütz- und Bewegungsapparats vorzubeugen. Überhaupt kann er neben seiner eigenen kenianischen Trainingsgruppe auf viel Schweizer Know-how zählen. «Wenn du Weltklasse werden willst, müssen wir uns von Anfang an mit Weltklasse-Leuten umgeben», hat ihm sein Marco Jäger klar gemacht, im Wissen, dass Juliens Körper nicht immer mit dessen Wille Schritt zu halten vermag. Zum professionellen Umfeld gehört darum auch ein Sportarzt, Biomechaniker, Physiotherapeut, Mentaltrainer und Ernährungswissenschaftler, alles Experten auf ihrem Gebiet.
Die kenianische Mentalität
Zusammen mit seinem Coach plant Julien Wanders seine Karriere akribisch wie ein typischer Schweizer. Physiologisch und kulturell indes nähert er sich den ostafrikanischen Trainingspartnern gewissermassen «laufend» an. Die dünne Höhenluft, verbunden mit der vermehrten Produktion der sauerstofftransportierenden roten Blutkörperchen, mag im Ausdauersport ein Vorteil sein. Den Hauptgrund für die Überlegenheit der Kenianer sieht der Rekordläufer allerdings in der Mentalität: «Von den Kenianern habe ich gelernt, dass nichts unmöglich ist, dass es keine Grenzen gibt.» In Europa sei man schon zufrieden, wenn man den Halbmarathon unter einer Stunde schaffe. «Wieso aber nicht unter 58 Minuten?» Es ist dieses Mindset, das Julien Wanders von Eliud Kipchoge und Co. übernommen hat und ihn nach dem Halbmarathon-Europarekord vom Marathon-Weltrekord träumen lässt. Warum nicht unter zwei Stunden?