Männer:
200 m - Ramil Guliyev fordert Noah Lyles
Noah Lyles (USA) wird alles daran setzen, um ein zweites Mal nach 2017 die Diamond Trophy zu holen. Und die Vorzeichen sind gut. Vier von sechs Diamond League-Meetings konnte der 21-Jährige für sich entscheiden. Außerdem steht er mit 19,65 sec an der Spitze der Jahres-Weltbestenliste. Doch ein Selbstläufer wird das Rennen nicht. Denn der kampfstarke Welt- und Europameister Ramil Guliyev (TUR) hat sich bei den kontinentalen Titelkämpfen in Berlin auf 19,76 sec verbessert. Dass der Letzigrund zum Tollhaus wird, dafür dürfte insbesondere der Auftritt von Alex Wilson sorgen. Der zurzeit schnellste Schweizer hat bei den Europameisterschaften 200-Meter-Bronze erkämpft. Nicht unbedeutend dürfte sein, dass auch Nethaneel Mitchell-Blake (GBR) mit im Rennen ist. Er schnappte Alex Wilson in Berlin bei Zeitgleichheit die Silbermedaille weg.
400 m - Steven Gardiner in Angriffslaune
Steven Gardiner alias Speedy Steve durcheilte die Stadionrunde im Mai in Doha in 43,87 sec. Mit dieser Zeit hat der 22-Jährige von den Bahamas in der Starterliste satte 46 Hundertstel Vorsprung. Allerdings kam der Vize-Weltmeister vor Jahresfrist mit ähnlichen Vorschusslorbeeren nach Zürich, stürzte aber kurz nach dem Start und musste den Sieg anderen überlassen. Im Auge behalten muss man Fred Kerley (USA), der zuletzt in Birmingham gewann und im vergangenen Jahr seine Bestzeit auf 43,70 sec schraubte. Außenseiterchancen hat Europameister Matthew Hudson-Smith (GBR), der vor einem Jahr die Rennschuhe beinahe frustriert an den Nagel gehängt hätte.
400 m Hürden - Vorjahressieger vs. Welt- und Europameister
Es deutet sich ein packender Zweikampf zwischen dem Vorjahressieger und dem Welt- und Europameister an. Kyron McMaster (CIV) hat im Juni 47,54 sec abgeliefert, Karsten Warholm (NOR) liegt mit 47,64 sec dichtauf. Doch wenn zwei sich streiten freut sich oft ein Dritter. Das könnte in diesem Fall Vize-Europameister Yasmani Copello sein. Er hat in Berlin den Landesrekord der Türkei auf 47,81 sec gesteigert. Ein Wiedersehen gibt es mit Bershawn Jackson (USA). Der mittlerweile 35-Jährige hat eine Bestzeit von 47,30 sec. Zweimal war der Routinier Weltmeister, ebenso oft holte er den Gesamtsieg in der Diamond League.
1500 m – Wird Timothy Cheruiyot erneut Diamond Champion?
Im letzten Jahr setzte sich Timothy Cheruiyot (KEN) souverän gegen die starke Konkurrenz um seinen Landsmann und Weltmeister Elijah Motonei Manangoi durch. Nun kommt der Welt-Jahresbeste mit einem klaren Ziel in den Zürcher Letzigrund: Er will die Heimreise erneut mit einem Diamanten im Gepäck antreten. Erneut bekommt er es dabei mit Manangoi zu tun. In Lauerstellung bringt sich auch der Europameister von 2016 Filip Ingebrigtsen (NOR). Mit diesem Trio sind die drei weltweit schnellsten Männer der Saison am Start.
3000 m Steeple - Soufiane El Bakkali der Gejagte
Soufiane El Bakkali (MAR) hat bislang in diesem Sommer als einziger Läufer die 8-min-Marke unterboten. Vor fünf Wochen lief der 22-Jährige in Monaco 7:58,15 Minuten. Doch mit seinem Sieg in Birmingham zeigte Weltmeister und Olympiasieger Conseslus Kipruto (KEN), dass auch mit ihm wieder zu rechnen ist. Als Nummer zwei der Welt-Jahresbestenliste reist der Olympia-Zweite und WM-Dritte Evan Jager (USA) an. Er kratzte in Monaco mit 8:01,02 Minuten an den 8 Minuten. Zum engeren Kreis der Favoriten gehört zudem Senkrechtstarter Benjamin Kigen (KEN), bei zwei Diamond League-Meetings Überraschungssieger.
Weit - Ist Luvo Manyonga zu stoppen?
Weltmeister Luvo Manyonga hat beste Chancen wie im Vorjahr vorn zu liegen – nicht nur weil er bereits drei Diamond League-Meetings gewonnen hat. Seine Saisonbestleistung liegt bei 8,58 Metern. Bei seinem südafrikanischen Rekord flog der 27-Jährige im April letzten Jahres sogar noch sieben Zentimeter weiter. Allerdings musste Luvo Manyonga in Stockholm Jeff Henderson (USA) Vortritt gewähren, wie vor zwei Jahren bei den Olympischen Spielen in Rio. Mit Ruswahl Samaai stellt Südafrika in Zürich einen zweiten Weltklasse-Weitspringer. Lokalmatador Benjamin Gföhler vom LC Zürich möchte vor heimischer Kulisse die Gelegenheit zu weiteren Acht-Meter-Sprüngen nutzen.
Kugel – Schlagkräftige Konkurrenz für Weltmeister Walsh
Tomas Walsh (NZL) reist mit der besten Leistung an. Auf 22,67 m hat der 27-Jährige die Kugel schon im März katapultiert. „Ich bin nicht hier, um Zweiter zu werden“, hat der Weltmeister schon häufiger vor wichtigen Wettkämpfen gesagt. Insofern ist seine Zielsetzung für das Kräftemessen im Letzigrund klar. Doch dazu muss er Olympiasieger Ryan Crouser (USA) bezwingen. Er ließ im Mai 22,53 m folgen. Europameister Michal Haratyk, der den zweifachen Olympiasieger Tomasz Majewski als Polens Landesrekordler abgelöst hat, steigerte sich im Juni auf 22,08 m.
Speer – Deutsches Duell wie in Berlin?
Nicht ausgeschlossen ist, dass der Wettkampf wieder auf einen Zweikampf zwischen Olympiasieger Thomas Röhler und seinem deutschen Landsmann Andreas Hofmann herausläuft – wie bei den Europameisterschaften in Berlin. Hofmann ist aktuell mit 92,06 m die Nummer zwei der Welt, Röhler, der sich 2014 schon einmal den Gesamtsieg in der Diamond League sicherte, folgt mit 91,78 m auf dem Bronzerang. Welche Rolle spielt der EM-Dritte Magnus Kirt (EST), dessen Speer im Juli in Rabat auf 89,75 m flog? Im Vorjahr bot der Tscheche Jakub Vadlejch in Zürich einen bärenstarken Wettkampf. Zurzeit ist der 27-jährige Weltmeisterschafts-Zweite mit 89,02 m an fünfter Stelle der Welt-Jahresbestenliste notiert.
Frauen:
100 m – Millimeter-Entscheid zwischen Asher-Smith und Ta Lou möglich
Mit Spannung wird die Auseinandersetzung zwischen der dreifachen Europameisterin Dina Asher-Smith (GBR) und der zweifachen Weltmeisterschafts-Zweiten Marie-Josée Ta Lou (CIV) erwartet. Für beide stehen 10,85 sec zu Buche. In Lauerstellung befindet sich 200-Meter-Weltmeisterin Dafne Schippers (NL). Aber auch Mujinga Kambundji ist zu beachten. Die 26-Jährige hat Mitte Juli den Schweizer Rekord auf pfeilschnelle 10,95 sec verbessert und ist damit die erste Schweizerin unter 11. Dass sie bei den Europameisterschaften in Berlin dreimal als Vierte hauchdünn an Edelmetall vorbeigeschrammt ist, dürfte für eine gehörige Portion Zusatz-Motivation sorgen – zumal Mujinga Kambundji sich der lautstarken Unterstützung durch das Publikum gewiss sein darf.
400 m Hürden - Lea Sprungers Kür nach dem Meisterstück
Mit Speed und Stehvermögen ist Lea Sprunger bei den Europameisterschaften in Berlin ihrer Favoritenrolle vollauf gerecht geworden. Kann die Athletin von Trainer Laurent Meuwly den Rückenwind durch ihren bislang grössten internationalen Erfolg zu einer weiteren Leistungssteigerung nutzen? An mangelnder Konkurrenz sollte es jedenfalls nicht scheitern, denn absolute Weltklasse wartet auf die 28-Jährige. Vize-Weltmeisterin Shamier Little (USA) führt mit 53,32 sec die Starterliste an, gefolgt von Janieve Russell (JAM; 53,46 sec), Olympiasiegerin Dalilah Muhammad (USA; 53,65 sec) und Georganne Moline (USA; 53,90 sec).
800 m – Wer kann Caster Semenya das Wasser reichen?
Caster Semenya – wer sonst? Jedenfalls läuft die 27-jährige Südafrikanerin seit Jahren in einer eigenen Liga und ist in diesem Jahr auf den zwei Stadionrunden ungeschlagen. Die 1:54,25 min, die die zweifache Olympiasiegerin und dreifache Weltmeisterin Ende Juni in Paris abgeliefert hat, können allenfalls nur von ihr selbst geknackt werden. Unter den Verfolgerinnen wird Francine Niyonsaba vorn erwartet. Die 25-Jährige aus Burundi, die bei Olympia in Rio und bei der WM in London Silber erkämpfte, hat eine Bestzeit von 1:55,47. Mit einer Wildcard geht EM-Finalistin Selina Büchel an den Start.
5000 m – Absolutes Ausnahmefeld verspricht schnelle Fahrt
Taktieren ist nicht, ein hochklassiges Temporennen mit einem packenden Dreikampf an der Spitze absehbar. Die Protagonistinnen: Weltmeisterin Hellen Obiri (KEN), Europameisterin Sifan Hassan (NL) und 1500-Meter-Weltrekordlerin Genzebe Dibaba (ETH). Obiri steht mit 14:21,75 min aktuell an Nummer eins der Welt-Jahresbestenliste. Hassan konnte neulich den Europarekord auf 14:22,34 min steigern. Dibaba hat die zwölfeinhalb Stadionrunden in diesem Sommer bislang in 14:26,89 zurückgelegt, ihre Bestzeit liegt aber bei herausragenden 14:15,41. Zu Orientierung: Der Meetingrekord steht seit 2011 bei 14:30,10.
Hoch - Mariya Lasitskene führt Zwei-Meter-Quintett an
Bei ihrem bislang besten Wettkampf überquerte sie 2,06, ihr Saisonrekord steht bei 2,04 m: Die unter neutraler Flagge startende Russin Mariya Lasitskene wird auch in Zürich schwer zu bezwingen sein. Die Welt- und Europameisterin, die 2017 die Diamond Trophy einheimste, hat in diesem Jahr 5 von 6 Diamond League-Meetings für sich entschieden. Vier weitere Zwei-Meter-Springerinnen befinden sich im Starterfeld: die Olympia- und EM-Zweite Mirela Demireva (BUL), Elena Vallortigara (ITA), Yulia Levchenko (UKR) und die EM-Dritte Marie-Laurence Jungfleisch (GER).
Drei – Weg frei für Olympiasiegerin Catherine Ibarguen
Olympiasiegerin Catherine Ibarguen (COL) dürfte kaum zu bezwingen sein. Die 34-Jährige steht mit 14,96 m an der Spitze der Welt und hat auch alle vier Diamond League-Meetings dominiert. Insgesamt lag die zweifache Weltmeisterin schon 32 Mal in Diamond League-Wettbewerben vorn. Ihre persönliche Bestweite steht seit 2014 bei 15,31. Nicht zu verachten ist auch Tori Franklin (USA), die ihre Saisonbestweite von 14,84 im Mai sprang. In der Starterliste folgen die Jamaikanerinnen Kimberly Williams (14,64 m) und Shanieka Rikketts (14,61 m).
Stabhoch - Katerina Stefanidi vs. Sandi Morris
Olympiasiegerin, Welt- und Europameisterin Katerina Stefanidi (GRE) war bislang immer topfit als es drauf ankam. Sie überflog im vergangenen Jahr 4,91 m und in diesem Sommer 4,85, hat also noch Luft nach oben. Einmal mehr wird sie von Hallen-Weltmeisterin Sandi Morris (USA) herausgefordert. Die WM- und Olympia-Zweite konnte in diesem Jahr bereits drei Diamond League-Meetings für sich entschieden und führt mit 4,95 m die Welt-Jahresbestenliste an. Ihre persönliche Bestleistung steht sogar bei 5,00 m. Die unter neutraler Flagge startende Russin Anzhelika Sidorova hat neulich 4,80 m bewältigt. U23-Europameisterin Angelica Moser hält dank einer Wildcard die Schweizer Fahnen hoch.
Speer - Huihui Lyu im Fokus
Huihui Lyu (CHN) ist von der Papierform her klare Favoritin auf den Gesamtsieg. Die 29-Jährige hat bereits die Diamond League-Meetings in Shanghai und London gewonnen. Die vorjährige WM-Dritte katapultierte ihr Arbeitsgerät in diesem Sommer bereits auf 67,69 m. Aber Achtung: Die Weissrussin Tatsiana Khaladovich, die in Oslo gewann, liegt mit 67,47 m in der Bestelenliste dichtauf. Auch Huihui Lyus Landsfrau Shiying Liu hat den Speer im Mai bereits 67,12 m weit geworfen. Die Schweizer Siebenkampf- und Speerwurf-Rekordlerin Géraldine Ruckstuhl stellt sich den Spezialistinnen. Die EM-Neunte hat eine Wildcard erhalten.
Zusatzdisziplin:
Zürich Trophy 4 x 100 m – Schweizerinnen wollen EM-Revanche
Die Schweizer Sprinterinnen sinnen auf eine EM-Revanche. Gemessen an ihren 42,29 sec, auf die das Quartett im Juni in Lausanne den Landesrekord pulverisierte, muss der vierte Platz in Berlin in der Tat als unglücklich angesehen werden. Jetzt wollen Ajla Del Ponte, Sarah Atcho, Mujinga Kambundji und Salomé Kora beweisen, dass sie bei den Europameisterschaften unter ihren Möglichkeiten geblieben sind. Gut, dass mit Großbritannien um Leistungsträgerin Dina Asher-Smith, den Niederlanden und Deutschland das komplette Podest der Europameisterschaften wieder am Start ist. Hinzu kommen die Vorjahressiegerinnen aus Jamaika.