Die Highlights der Frauen
Die Favoritinnen hielten sich bei der grossen WM-Revanche im restlos ausverkauften Stadion Letzigrund schadlos. In fünf von sechs Disziplinen der Wanda Diamond League setzten sich die Weltmeisterinnen durch.
100 m/200 m Frauen: Favoritensiege und eine Schweizer Doppelstarterin
Mujinga Kambundji erntete bei der Athletinnenpräsentation den mit Abstand grössten Beifall der 25’000 Fans. Und die Energie schien sich auf die schnellste Frau der Schweiz zu übertragen. Die Hallen-Weltmeisterin über 60 m legte neben 100-m-Weltmeisterin Sha’Carri Richardson (USA) und Olympiasiegerin Elaine Thompson-Herah (JAM) einen Blitzstart hin und warf sich hinter diesen als Vierte ins Ziel.
In 11,08 Sekunden verlor der Publikumsliebling lediglich zwei Zehntel auf die schnellste Frau der Welt – mit den längsten Fingernägeln im Feld. «Das Publikum ist fantastisch, und ich hoffe, dass diese Liebe immer da sein wird, egal wie meine Leistung ist», bedankte sich Richardson nach getaner Arbeit.
Derweil entschied sich Mujinga Kambundji noch auf der Bahn, knapp 50 Minuten später auch die 200 m in Angriff zu nehmen. «Wir kamen gestern spontan auf die Idee, es heute allenfalls auch über die längere Strecke zu versuchen, falls noch eine Bahn frei würde», sagte Mujinga Kambundji nach der gelungen Belastungsprobe für ihren lädierten Fuss. «Ich bin sehr zufrieden mit den beiden Einsätzen hier. Zürich ‹fäggt› einfach!»
In ihrem ersten Saisonrennen über die halbe Bahnrunde wurde die Schweizer Rekordhalterin gleich nochmals Vierte in starken 22,46 Sekunden. Wie schon in Budapest enteilte Weltmeisterin Shericka Jackson (JAM/21,82) der Konkurrenz. In 21,82 Sekunden verpasste die Vorjahressiegerin den Rekord der Wanda Diamond League (21,74), 2019 aufgestellt von Shaunae Miller-Uibo (BAH) im Letzigrund, bloss um wenige Hundertstel. 400-m-Olympiasiegerin Miller-Uibo (51,83) ihrerseits meldete sich im Vorprogramm mit einem Mini-Sieg auf ihrer Paradestrecke zurück vom viermonatigen «Mutterschaftsurlaub».
100 m Hürden: Jamaikanische Hürdenkönigin und Schweizer Hürdenprinzessin
Was Jason Joseph bei den Männern (im Vorprogramm), ist Ditaji Kambundji bei den Frauen: die schnellste Hürdensprinterin des Landes und WM-Siebte. Erst 21-jährig, trat die U23-Europameisterin bereits zum dritten Mal im Hauptprogramm von Weltklasse Zürich an. Nach Rang 8 und 9 steigerte sich die Schweizer Hürdenprinzessin (12,73) dieses Mal auf Platz 6. «Die Unterstützung, die wir vom Schweizer Publikum erhalten, ist so schön, so laut», sagte Ditaji Kambundji und sprach damit auch für ihre hochdekorierten Disziplinenkolleginnen.
Die «Zürich Trophy» schnappte sich Weltmeisterin Danielle Williams (JAM) in 12,43 Sekunden. «Ich hatte noch nicht viel Zeit, um meinen Sieg in Budapest zu feiern», gestand die erstmalige Letzigrund-Siegerin, um dann auf den Wanda Diamond League Final in Eugene (USA) vorauszuschauen. «Danach werde ich die Feier nachholen.»
Zwei Weltmeisterinnen tanzen die Jägerinnen aus
Im 3000-Steeple-Rennen war Winfred Mutle Yavi (BHR/9:03,19) die Schnellste. In einem packenden Schlussspurt behielt die «tanzende» Weltmeisterin – wie schon in Budapest – die Oberhand über die Weltrekordhalterin Beatrice Chepkoech (KEN/9:03,70).
Im Dreisprung wiederum hielt sich Weltmeisterin, Olympiasiegerin und Weltrekordhalterin Yulimar Rojas (VEN) mit zwei Flügen auf 15,15 m schadlos. Ihren 13. Sieg innerhalb der Wanda Diamond League feierte die südamerikanische Stimmungskanone standesgemäss mit einem Tänzchen.
Über 800 m vermochte 1500-m-Ass Laura Muir (GBR/1:57,73) den Spezialistinnen ein Schnippchen zu schlagen. Die beiden Schweizerinnen, U20-Europameisterin Audrey Werro (7./1:59,50) und die letztjährige EM-Vierte Lore Hoffmann (8./2:00,09), verkauften ihre Haut so teuer wie möglich.
Werros aktive Renngestaltung wurde mit einem nationalen U20-Rekord belohnt. Den krönenden Abschluss bildete nach vier Jahren Unterbruch die 4x100-m-Staffel. Wenig fehlte, nämlich 8 Hundertstel, und das Heimpublikum hätte in der letzten Disziplin des Abends noch einen Sieg feiern können.
In der Besetzung Natacha Kouni, Salomé Kora, Géraldine Frey und Melissa Schmidt zündete die Schweizer WM-Finalstaffel ein Feuerwerk vor dem Feuerwerk. In 42,86 Sekunden düsten die «Red Jets» ums Oval, um auf den allerletzten Metern noch von den Niederländerinnen abgefangen zu werden. Dabei flog Schlussläuferin Gutschmidt nach einem Stolperer buchstäblich ins Ziel – und von dort direkt in die warme SWISS Athletes Lounge.
Die Highlights der Männer
200 m: Herzschlagfinale bei Favoritensieg
Seit vergangener Woche ist Noah Lyles (USA) dreifacher Sprint-Weltmeister. Das machte ihn bei Weltklasse Zürich zum grossen Gejagten über die halbe Bahnrunde. Der 26-Jährige enttäuschte nicht, auch wenn er bis auf die letzten Meter zu kämpfen hatte. Gerade noch warf sich der «singende» Überflieger, bekannt auch als Rapper aus dem Weltklasse Zürich-Song «Souvenir», vor dem 19-jährigen Supertalent Erriyon Knighton (USA) ins Ziel. 19,80 gegenüber 19,87 lautete das Verdikt. Zharnel Hughes (GBR) auf Rang drei schaffte es ebenfalls unter die 20-Sekunden-Schallmauer (19,94).
Mit dem Sieg bei Weltklasse Zürich baut Sprint-König Lyles weiter an seinem Selbstvertrauen. Keck gab der US-Amerikaner zu Protokoll: «Alle wollen sie etwas von meiner Krone, aber sie kriegen sie nicht.»
400 m Hürden: Kyron McMasters süsse WM-Revanche
Als eines der Highlights des Abends angekündigt, hielten die 400 m Hürden, was sie versprochen hatten. Weltrekordhalter, Olympiasieger und Dreifach-Weltmeister Karsten Warholm ist der Superstar in dieser Disziplin. Mit seinem offensiven Laufstil ist er sich ausserdem gewohnt, jeweils früh im Rennen die Führung zu übernehmen. Nicht zum ersten Mal sah das Stadion Letzigrund für den Norweger allerdings andere Spielregeln vor. Bereits bei zwei früheren Gelegenheiten fing WM-Silbermedaillist Kyron McMaster Warholm auf der Ziellinie ab. In einer hochspannenden Entscheidung wiederholte sich heuer die Geschichte von 2017 und 2018. Der Mann von den Britischen Jungferninseln setzte sich in 47,27 Sekunden nur drei Hundertstel vor Warholm durch, Dritter wurde Ex-Weltmeister Alison dos Santos (BRA/47,62). Ob nach drei Niederlagen auf Zürichs Conica-Bahn beim Norweger von einem «McMaster-Trauma» die Rede sein kann?
Seine Rückkehr an die Spitze löste bei McMaster Zufriedenheit aus. «Es fühlt sich so gut an, nach der WM zu siegen», sagte er, um folgende Feststellung anzufügen: «Das Publikum hier ist immer so laut und unterstützend. In diesem Stadion hat es mehr Leute als zu Hause auf meiner Insel.»
Stabhochsprung: Duplantis kratzt am Weltrekord
Überflieger Armand «Mondo» Duplantis entschied sich für einen ungewöhnlich frühen Auftakt in den Wettkampf. Einstiegshöhe 5,60 m, ein Zeichen von Unsicherheit? Eher nicht. Zwar wurde er bis 5,95 von Sam Kendricks (USA), dem Ex-Weltmeister ohne WM-Qualifikation 2023, hart gefordert und kam nicht fehlerfrei durch seine Versuche. Auf 6,00 m sorgte Weltrekordler, Olympiasieger und Weltmeister Duplantis aber wie so oft für den Unterschied zwischen sich und dem Rest der Welt. Als Einziger schaffte er diese Höhe und fuhr einen standesgemässen Sieg ein. Auf den weiteren Plätzen folgten Kendricks (5,95) und KC Lighfoot (USA/5,85).
Immer abzuliefern sei nicht leicht, gab der Schwede zu bedenken. «Ich habe mich nach der WM müde und energielos gefühlt, aber die Leute erwarten von mir, dass ich hoch springe.» Dennoch sei es ihm gelungen, auf 6,23 m eine Weltrekord-Mentalität zu entwickeln. Nur wenig fehlte zum Erfolg im dritten Anlauf auf dieser Höhe.
110 m Hürden: Schweizer Topleistung lanciert Weltstars
Schweizer Rekordhalter Jason Joseph startete bei Weltklasse Zürich mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch. Rang sieben vergangene Woche im WM-Final hatte ganz und gar nicht seinem Gusto entsprochen. Seine Wiedergutmachung im Stadion Letzigrund dauerte exakt 13,08 Sekunden, womit er die eigene nationale Bestmarke um zwei Hundertstel verbesserte.
Hochsprung: Ein emotionaler Karriereabschluss
Der Männer-Hochsprung sorgte für einen Gänsehaut-Moment der besonderen Art, als Loïc Gasch in den Ruhestand als Spitzensportler verabschiedet wurde. Von seinen Konkurrenten gefeiert, vom Publikum bejubelt und vom Co-Meeting Director Andreas Hediger für eine Karriere mit Schweizer Rekord und Hallen-WM-Silbermedaille beglückwünscht, trat Gasch sichtlich gerührt von der grossen Bühne ab.
Die weiteren Sieger des Abends: Yared Nuguse (USA/1500 m), Yomif Kejelcha (ETH/5000 m), Mutaz Essa Barshim (QAT/Hochsprung), Miltiadis Tentoglou (GRE/Weitsprung), Jakub Vadlejch (CZE/Speer).