Die Zürcher Bevölkerung erlebte am Mittwochabend zum zweiten Mal hochstehende Leichtathletik hautnah. Nicht nur die Läufer:innen auf der 563 m mobilen Bahn, sondern auch die Techniker:innen im Infield sorgten am Seebecken für tolle Stimmung und einen Hingucker der speziellen Art.
Der Erste, der vor dem Opernhaus so richtig zu verzücken wusste, war Kugelstösser Joe Kovacs (USA). Zum zweiten Mal binnen zweier Wochen wies er seinen ansonsten dominanten Landsmann Ryan Crouser in die Schranken. Und wie: Mit 23,23 m stellte er im dritten Versuch einen Diamond-League-Rekord auf. Kovacs, der Mann mit ungarischen Wurzeln, ist nun der zweitbeste Kugelstösser der Geschichte, zum Weltrekord Crousers fehlten lediglich 14 Zentimeter. Der Olympiasieger trat nach einer mehrwöchigen Covid-Erkrankung geschwächt an, sicherte sich Platz zwei mit 22,74 m allerdings problemlos.
Derweil setzte Chase Ealey (USA) das i-Tüpfelchen auf eine perfekte Saison. Die Kugelstoss-Weltmeisterin führte ihre diesjährige Siegesserie in der Wanda Diamond League mit einem Stoss auf 20,19 m fort und räumte die Diamond Trophy ab. Als ungeschlagene Athletin der Wanda Diamond League 2022 bewegt sich Ealey in einem kleinen, exklusiven Kreis, zu dem am Donnerstagabend einzig Diskuswerfer Kristjan Čeh (SLO) dazustossen könnte.
Kipkorir siegt über 5000 m – Lobalu stark
Der Härtetest für die Entwicklung des Kunststoffbahn-Spezialisten Conica folgte im Kampf um die Diamond Trophies und den hohen Tempi über 5000 m. Die Stimmung auf dem Sechseläutenplatz erreichte im Männer-Rennen einen Höhepunkt, als der in der Schweiz wohnhafte Südsudanese Dominic Lobalu um den Sieg mitlief. Erst auf der Zielgerade am Opernhaus vorbei musste sich der Athlet des LC Brühl dem Kenianer Nicholas Kipkorir (12:59,05 Minuten) beugen.
Bei den Frauen war ein spannendes Rennen zwischen der Olympiasiegerin Sifan Hassan (NED) und der Weltmeisterin Gudaf Tsegay (ETH) erwartet worden – mit dem besten Ende für die lachende WM-Zweite Beatrice Chebet. Die Kenianerin hatte auf den letzten Metern die grössten Reserven und setzte sich im Endspurt in 14:31,03 Minuten durch. Tsegay und Hassan mussten sich als Dritte und Fünfte geschlagen geben.
Siege für Italien und Australien in den Vertikalsprüngen
Was ist eigentlich die richtige Wettkampf-Vorbereitung auf einen Wanda Diamond League Final? Zumindest im Fall von Gianmarco Tamberi, der erst vor wenigen Tagen geheiratet und die Nacht durchgefeiert hat, soll diese Frage erlaubt sein. Beflügelt von diesem privaten Ereignis, trumpfte der Italiener unbeschwert auf und riss mit seiner extrovertierten Art das Publikum bei seinem Siegessprung über 2,34 m von den Sitzen. JuVaughn Harrison, der aufgrund seiner Vielfältigkeit als Weltklasse-Hoch- und -Weitspringer auf den Spitznamen «Mr. Jumps» hört, trug seinen Teil zur ekstatischen Stimmung bei.
Nicht die WM-Zweite, nicht die Europameisterin und nicht die Olympiasiegerin von 2016 sprang mit dem Stab am höchsten. Nein, die Wanda Diamond League-Siegerin 2022 ist WM-Bronze-Gewinnerin und kommt aus Australien. Ein Sprung über 4,81 m reichte Nina Kennedy, um die Zweitplatzierte Sandi Morris (USA) um fünf Zentimeter zu überflügeln. Gross war die Unterstützung für die Einheimische Angelica Moser vom LC Zürich, die mit übersprungenen 4,51 m Siebte wurde.